Vera Maribel Jung, Die Europäisierung des Gemeinwohls am Beispiel des Art. 106 Abs. 2 AEUV
Dissertation: Die Europäisierung des Gemeinwohls am Beispiel des Art. 106 Abs. 2 AEUV
Mit dem Verhältnis von Markt und Staat in der Rechtsordnung der Europäischen Union befasst sich die von Maribel Jung vorgelegte Dissertation. Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse sind unter bestimmten Voraussetzungen von der Geltung der europäischen Wettbewerbsregeln ausgenommen (Art. 106 Abs. 2 AEUV). Dabei wird den Mitgliedstaaten nach der bisherigen Praxis ein weiter Einschätzungsspielraum bei der Beantwortung der Frage zugestanden, an welcher wirtschaftlichen Tätigkeit ein „allgemeines Interesse“ besteht. Die Autorin macht Vorschläge, wie dieses „Einfallstor nationaler öffentlicher Interessen“ zugunsten einer europäisierten Dogmatik geschlossen werden kann. Die EU, obzwar einst als Wettbewerbsgemeinschaft gegründet, sei heute Interessen verschrieben, die dem Wettbewerbsprinzip konkurrierend gegenübertreten. Diese Hochzonung des Gemeinwohls müsse auch in der Daseinsvorsorge zum Ausdruck kommen und die mitgliedstaatliche Definitionsmacht hinsichtlich des „allgemeinen Interesses“ begrenzen. Außerdem sei der gemeinwohlorientierten hoheitlichen Marktintervention zum Schutze des Wettbewerbsprinzips durch eine strenge Verhältnismäßigkeitsprüfung als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des Art. 106 Abs. 2 AEUV entgegenzuwirken. Ferner habe der europäische Gesetzgeber die Möglichkeit, auf der Grundlage der neuen, bisher noch ungenutzten Kompetenznorm des Art. 14 S. 2 AEUV europäische öffentliche Interessen in Bezug auf die Dienste von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse festzulegen.
Termin der Disputation: 23.04.2018
Zweitgutachter: Prof. Dr. Rudolf Wendt
Veröffentlichung der Dissertation: Nomos, Baden-Baden 2018, 397 Seiten