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Vortrag von Herrn Prof. Dr. Gao Xujun über die Änderung des chinesischen Gesellschaftsrecht (28.10.2009)

Am 28. Oktober 2009 hielt Prof. Dr. Gao Xujun, Tongji Universität Shanghai, als Auftakt der neuen Reihe von Veranstaltungen des Arbeitskreises zum chinesischen Recht einen Vortrag zur Änderung des chinesischen Gesellschaftsrechts.

- Maria Weizsäcker -

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Der Vortrag beleuchtete die Auswirkungen des 2005 in Kraft getretenen revidierten chinesischen Gesellschaftsrechts auf die Praxis anhand ausgewählter Entscheidungen des Volksgerichts. Insbesondere die Themenkomplexe Aufbringung und Übertragung von Einlagen, Durchgriffshaftung und Haftung der Unternehmensleitung wurden erörtert.

Zunächst schilderte Prof. Dr. Gao Xujun sehr anschaulich zwei Fälle, in denen die Gesellschafter ihre für die Gründung der Gesellschaft erforderlichen Kapitaleinlagen unmittelbar nach der Gründung wieder entnommen hatten. Die Gerichte hatten sich jeweils mit der Frage zu beschäftigen, ob in diesen Fällen eine Durchgriffshaftung in Betracht käme. Im ersten Fall wurde entschieden, dass die Gesellschafter lediglich verpflichtet seien, die Einlagen wieder einzuzahlen zuzüglich einer Strafe in Höhe von 15% der Kapitaleinlagen. Im zweiten Fall wurde dagegen eine Durchgriffshaftung bejaht. Diese Uneinheitlichkeit der Rechtsprechung bezeugt, dass noch eine gewisse Unsicherheit darüber besteht, wie das neue Gesetz anzuwenden ist.

In einem dritten Fall hatte der Vorstand einer Gesellschaft, bestehend aus drei chinesischen und vier hongkonger Vorstandsmitgliedern, die Geschäftsführerin damit beauftragt, ein Darlehen aufzunehmen, um damit ein anderes Darlehen, welches kurz darauf fällig werden würde und für welches im Falle der Nichtrückzahlung bei Fälligkeit Strafzinsen in Höhe von 30% veranschlagt waren, zurückzuzahlen. Der Geschäftsführerin wurden die für diese Geschäfte nötigen Unterlagen übergeben. Im Folgenden weigerte sich die Geschäftsführerin, die Geschäfte vorzunehmen, mit der Begründung, sie entsprächen nicht dem Willen der drei chinesischen Vorstandsmitglieder, und versteckte die entsprechenden Unterlagen. Das Gericht hatte nun unter anderem die Frage zu prüfen, ob die Geschäftsführerin für den entstandenen Schaden haftet, oder ob die Haftung entfällt, weil die Geschäftsführerin im Interesse der drei chinesischen Vorstandsmitglieder gehandelt hatte. Auf Grundlage des neuen Gesellschaftsrechts bejahte das Gericht eine Haftung mit der Begründung, dass die Geschäftsführerin ein Organ der gesamten Gesellschaft sei und an Vorstandsbeschlüsse gebunden sei, selbst wenn sie den Interessen eines Teils des Vorstandes widersprächen.

Im Anschluss an den Vortrag entstand eine lebhafte Diskussion über die Rechtssicherheit in China an sich. Dabei wurde unter anderem problematisiert, dass in einem so großen Land wie China, insbesondere auf der Ebene der lokalen Behörden, kaum Einheitlichkeit der Rechtsanwendung bewerkstelligt werden könne. Ein chinesischer Anwalt aus dem Publikum gewährte zu diesem Thema einen Einblick in die Anwaltspraxis in China, wo den Klienten in der Regel der sogenannte "soft approach" geraten wird, bei dem durch Verhandlungen mit der lokalen Behörde in freundlichem Umgangston eine Anrufung des Gerichts vermieden werden soll.

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Die angefangene Diskussion wurde im Anschluss an die Veranstaltung in der Mehlwaage fortgesetzt.