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Siebtes Treffen des Arbeitskreises zum deutschen und chinesischen Recht

Pater Johannes Siebner, Direktor des Kollegs St. Blasien, stellte vor, warum die Schule das Fach Chinesisch einführte (als erstes privates Gymnasium in Deutschland) und seit 1997 regen Austausch mit chinesischen Schulen betreibt.

- Johannes Allmendinger -

 

Gastredner des siebten Arbeitskreistreffens war Pater Johannes Siebner, Direktor des Kollegs St. Blasien, einer staatlich anerkannten, katholischen Internatsschule im Südschwarzwald, die als erstes privates Gymnasium in Deutschland Chinesisch im Wahlbereich der Sekundarstufe II eingeführt hat.

Die Motive für dieses ungewöhnliche Bildungsangebot lagen für das Kolleg anfangs vor allem in der geopolitischen und wirtschaftlichen Bedeutung Chinas: den Schülern sollte die Möglichkeit gegeben werden, sich für einen immer schwieriger werdenden Arbeitsmarkt zu profilieren. Dagegen kommt es Pater Siebner heute vor allem darauf an, die Schüler mit der großartigen Kultur Chinas und seiner Sprache zu konfrontieren und damit auch persönlich herauszufordern: das Erlernen einer tonalen Sprache und der Einblick in die chinesische Kalligraphie, Landeskunde und Geschichte fördern die Schüler dabei weit aber über die Nützlichkeit des Spracherwerbs hinaus.

Bereits zum Schuljahr 1995/96 wurde Mandarin als Arbeitsgemeinschaft in den Klassenstufen 10 und 11 und in der Fortsetzung als Wahlfach für die 12. und 13. Jahrgangsstufe angeboten. Der erste Kontakt zu einer chinesischen Schule kam 1997 in der ehemals deutschen Kolonialstadt Qingdao (Shandong) zustande. 1999 löste die Partnerschaft mit einer Oberschule in Jiangyin (Jiangsu) die Bindung nach Qingdao ab - jener Kontakt wurde durch einen germanophilen Großindustriellen hergestellt, der von der Idee, einen Austausch zwischen dem Kolleg und seiner ehemaligen Schule zu etablieren, leicht zu überzeugen war. Seitdem besteht hier - entsprechend der Idee des Gegenseitigkeitsprinzips - ein reger Schüler- und Lehreraustausch.

Im Jahr 2003 konnte zusammen mit der Tongji-Oberschule in Shanghai das "Chinesisch-Pojekt" auf ein neues Niveau gehoben werden. Dort wird nun ebenso engagiert Deutsch gelernt wie in St. Blasien Chinesisch. Die Tongji-Oberschule ermöglichte auch den Wunsch des Paters nach einem intensiven Sprachstudium vor Ort: Im Februar 2005 gingen sieben Schüler des Kollegs für drei Monate nach Shanghai, um an der Tongji-Oberschule einen Sprachkurs zu besuchen. Zuvor hatte es nur kürzere - jeweils vom chinesischen Partner organisierte und mitfinanzierte - Klassen- und Studienfahrten eher touristischen Charakters in das Reich der Mitte gegeben. Wie der Pater sagte, kommt das Reisen aber auch jetzt nicht zu kurz. Zudem werden die Schüler angehalten, dreimal pro Woche Mathematik zu lernen, um hier bis zur Rückkehr nach Deutschland auf dem Laufenden zu bleiben.

Mit Beginn des Schuljahres 2005/06 wurde nach 10 Jahren aus dem "Projekt" ein Eckpfeiler der Schule: Chinesisch wurde zum regulären Fach mit vier Wochenstunden und kann nun ab der 9. Klasse - im G8-Zug ab Klasse 8 - als dritte Fremdsprache (Volumen: ca. 300 Schriftzeichen pro Jahr) belegt werden. Indes hat bereits 1999 die erste deutsche Schülerin ihr Abitur in Chinesisch abgelegt, seitdem sind es bereits mehr als ein Dutzend.

Die Chinesen, die als Schüler nach St. Blasien kommen, bleiben mindestens ein Jahr und legen dann oft auch das deutsche Abitur ab, bevor manche von ihnen als reguläre Studierende wiederkommen. Die Unterrichtssprache in fast allen Fächern ist Deutsch, was nach den Worten des Paters gerade in den ersten Wochen für viele eine besondere Herausforderung darstellt. Hinzu kommt, dass sich die Schüler erst an die neue Kultur und ihre Umgebung anpassen müssen: Als Beispiele nannte der Pater das Aufschneiden des Brots für das Abendessen und die Stille, die im ruhigen St. Blasien vielleicht noch stärker zu spüren ist als an anderen Orten Deutschlands. Aufgrund der nicht geringen Schulgebühr finden sich vor allem Kinder wohlhabender Chinesen unter den Schülern - mit ihrer Hilfe gelingt es dem Kolleg allerdings auch, einigen Kindern aus ärmeren Verhältnissen den Besuch der Internatsschule zu ermöglichen. Die Auswahl der Schüler trifft jeweils ein Schulkomitee, nachdem sich der Pater in China selbst einen persönlichen Eindruck von den Bewerbern gemacht hat. Bereits zuvor findet eine Vorauswahl durch den Leiter der Tongji-Schule in Shanghai bzw. der Schule in Jiangyin statt. Das Kolleg St. Blasien nimmt jedes Jahr nur drei bis vier Schüler auf, um den Integrationsprozess der Chinesen zu fördern. Dennoch spürt der Pater zuweilen die Tendenz der Abkapselung. Wenn es vereinzelt zu Problemen oder Schwierigkeiten mit den Schülern kommt, scheut sich der Pater nicht, die Eltern der Kinder darauf anzusprechen.

Als katholisches, jesuitisches Gymnasium werden die chinesischen Schüler zudem mit dem christlichen Anspruch des Kollegs konfrontiert, der sich etwa im sonntäglichen Besuch der Gottesdienste oder im Religionsunterricht ausdrücklich niederschlägt. Auch gegenüber den Partnern in China stellt der Partner das religiöse Profil der Schule heraus. Indes ist jedenfalls auf offizieller Ebene noch nicht möglich, einen Dialog über den Katholizismus zu führen - und so kommt es auch, dass der Pater bei offiziellen Auftritten in China auf die Insignien des Jesuitenordens verzichtet. Dabei gehe es neben den Spannungen zwischen der chinesischen Regierung und der katholischen Kirche in Rom auch um das gewöhnliche Schicksal einer Religion in dem nach Ansicht des Paters "säkularsten Land der Erde". Der Prozess der Aussöhnung zwischen Kirche und Staat gestalte sich schwierig, sei aber nicht aussichtslos: So sollen in Zukunft nur noch solche Bischöfe geweiht werden, deren Berufung in das Bischofsamt sowohl für Beijing als auch für Rom annehmbar ist.

Einstweilen gibt sich der Pater von der politischen Eiszeit unbeeindruckt. Bei seinen Besuchen in Shanghai trifft er regelmäßig den katholischen Bischof der Millionenmetropole - gemeinsame Gottesdienste, in denen die beiden Priester konzelebrieren, sind dann keine Seltenheit. Auch hat der Pater in Shanghai eine zweite spirituelle Heimat gefunden: Sein Großvater, ein Jude, war während des Holocausts nach Shanghai ausgewandert und hatte später dort bis zu seinem Tod gelebt. Mit Unterstützung der Tongji-Schule machte der Pater das ehemals jüdische Viertel, eine jüdische Synagoge sowie einen Gedenkstein für die jüdischen Flüchtlinge ausfindig. Im ehemals jüdischen Viertel sieht es heute noch so aus wie auf den Bildern, die sein Großvater nach Hause geschickt hatte.

Der Arbeitskreis dankt Pater Siebner für seinen spannenden Vortrag.

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