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Tagungsthema

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Die Reine Rechtslehre auf dem Prüfstand

Die Reine Rechtslehre Hans Kelsens prästiert einen spezifischen Zugang zu Recht und Normativität. Sie stellt eine eigene Grammatik und eine besondere Nomenklatur bereit, mit deren Hilfe man so manche rechtswissenschaftlichen Begriffe, Konzepte und Probleme als wesentlich und andere als eher fremd für die Hauptaufgaben der (rechts)wissenschaftlichen Beschäftigung mit dem Recht ausweisen kann. Grundlegender noch erhebt sie den Anspruch, eine Rechtswissenschaftstheorie zu sein, d.h. eine Theorie darüber, was Rechtswissenschaft ist bzw. sein kann oder sein sollte. Dieser Ansatz zu Bedeutung und Aufgabe einer selbständigen Rechtswissenschaft bleibt oft implizit und wird in der einschlägigen Literatur eher selten adressiert.

Auch nach über einhundert Jahren weckt die Reine Rechtslehre die Aufmerksamkeit der Rechtswissenschaft – und das in ebenso heftigem Zuspruch wie Widerspruch.

Dabei treten Missverständnisse und Ausblendungen zutage – bei Kelsens Lehren, bei den Versuchen, sich dessen Lehren anzueignen, und bei den Versuchen, diese zu widerlegen. Die internationale Community setzt sich mit bestimmten Schriften und Konzepten Hans Kelsens recht intensiv auseinander. Darüber geraten andere Wesenszüge und Argumentationslinien der Reinen Rechtslehre gar nicht erst ins Blickfeld. Und während Kelsens auch auf Englisch verfügbare Werke international vergleichsweise intensiv diskutiert werden, gilt Gleiches nicht für die Werke anderer wegbereitender Mitglieder der „Wiener rechtstheoretischen Schule". Just die Debatte um die Reine Rechtslehre in und zwischen den unterschiedlichen rechtswissenschaftlichen Kulturen und Traditionen soll im Fokus der gegenständlichen Tagung stehen.
Die Tagung beabsichtigt daher, über eine bloße Exegese des Kelsenschen Œuvres hinauszugehen und den Versuch zu unternehmen, in einem offenen Diskurs die rechtskulturellen, sprachlichen und disziplinären Disjunktionen kenntlich zu machen und möglichst zu überbrücken, um eine freimütige internationale und intradisziplinäre Debatte um Hans Kelsen und die Reine Rechtslehre zu eröffnen. Mit der Konferenz wird also nichts weniger gewagt, als der heutigen Relevanz der Thesen der Reinen Rechtslehre in einem international und intradisziplinär reflektierten Rahmen nachzugehen.